Siegbert Mattheis und Silvio Nascimento

Veränderungen und Trends in der MICE-Branche nach der Pandemie

Erstmals seit 2019 hatte die IMEX, die wichtigste Messe für die Veranstaltungsbranche wieder eine Präsenzmesse in Frankfurt veranstaltet. Die Halle 8 war voll gebucht, es waren über 2.300 Aussteller:innen aus 150 Ländern vertreten, mehr als 2.800 Hosted Buyers und über 9.300 Besucher.innen.

Was hat sich in der MICE Eventbranche und im Mindset der Unternehmen nach 2 Jahren Pandemie geändert? Welche Trends bilden sich heraus?

Wir haben bei einigen Ausstellern und Veranstaltern sowie Anbietern von unterstützender Event-Technologie nachgefragt.

Virtuelles Event wird weiter bleiben

Der digitale, virtuelle Anteil wird weiter bestehen, sagt Matthew Howarth von cvent.com. Er wird zwar weniger werden, aber nicht mehr verschwinden. Zum einen als Backup-Lösung, falls das geplante Präsenzevent aus irgendwelchen Gründen nicht stattfinden kann, zum anderen als Möglichkeit, auch Kunden zu erreichen, die zum analogen Event nicht anreisen können. So kann man z.B. bei bezahlten Events auch zusätzliche Einnahmen generieren, selbst wenn die Kosten für eine Online-Teilnahme weit geringer angesetzt sind.
Einen weiteren Grund schildert Howarth, den wir wohl alle gut nachvollziehen können: Wenn das Event am Abend etwas rauschender ausgefallen war, blieben viele Teilnehmer weiteren Schulungen am nächsten Morgen eher fern. Mit der Hybridvariante können sie auch – ohne in Bestform zu sein – vom Hotelzimmer aus teilnehmen.

Sinn und Zweck

Die Frage nach dem Sinn und Zweck einer Präsenzveranstaltung rücke stärker in den Fokus, meint hingegen Jaimé Bennett, die Regionaldirektorin der PCMA, der internationalen Berufsvereinigung für Veranstaltungsmanagement mit Sitz in Chicago. Es werde stärker hinterfragt, ob eine Präsenzveranstaltung zwingend sein muss, oder ob man das Ziel nicht auch genauso gut online erreichen könne.

Nachhaltigkeit und Umweltschutz

Paul Black, Head of Business Events von VisitBritain in London, sieht die größte Veränderung in dem Bemühen nach Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Das war zwar schon vor der Pandemie ein wichtiges Anliegen, aber die Erfahrungen in der Pandemie und ein gewisses Innehalten und Nachdenken habe dieses Thema nun in der Eventbranche ganz nach oben gespült.

Sehnsucht nach Natur

Der Tourismuspräsident Brasiliens, Silvio Nascimento, hingegen sieht die größte Veränderung in einem stärkeren Bedürfnis der Kunden und Touristen nach Natur und Erlebnissen mit und in der Natur. Dem würde sein Land mit über 8.500 km Stränden, 42.000 km Flüssen, 600 Naturschutzgebieten und sechs einzigartigen Biomen wunderbar entgegenkommen.

Siegbert Mattheis und Silvio Nascimento
Im Gespräch mit Silvio Nascimento, Präsident der Embratur, der Tourismuszentrale Brasiliens, Foto: Renan Pretto

Darüber hinaus bietet Brasilien enorm viele unterschiedliche geographische Bedingungen, von Wüste bis tropischem Urwald in komplett verschiedenen Klimazonen. So kann es zum Beispiel im Süden schneien, während es im Norden 40 Grad heiß ist. Hinzu kommen einzigartige kulturelle Besonderheiten.

Brasilien investierte während der Pandemie 250 Millionen US-Dollar, um Unternehmen zu unterstützen, damit sie nicht gezwungen sind, Mitarbeiter zu entlassen, und um zu verhindern, dass sie bankrott gehen. Nach der Pandemie konnten die ehemals Beschäftigten an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, so dass die Beschäftigung aufrechterhalten werden konnte. Jetzt, direkt nach der Pandemie, hat laut Silvio Nascimento Brasilien die niedrigste Arbeitslosenquote seit 2012. Seit Dezember, als die Grenzen geöffnet wurden, ist die Zahl der internationalen Touristen, die nach Brasilien kommen, um 600 Prozent gestiegen. Letztes Jahr besuchten 61.000 Deutsche das Land, für dieses Jahr wird mit 140.000 Deutschen gerechnet, die Brasilien besuchen.

„Brasilien besteht aus vielen Facetten, unser Land ist so vielfältig, es gibt nicht nur das EINE Brasilien. Wir haben von allem eine Menge zu bieten“, sagt Silvio Nascimento.

Nur in den Süden, vor allem in die brasilianische Stadt Blumenau, sollte man nicht kommen, wenn man die Fremde erleben will. Man würde sich dort wie zu Hause fühlen, scherzt er. Denn in Blumenau wird Deutsch gesprochen und das größte Oktoberfest außerhalb von München gefeiert!

Frau mit Mikrophon vor Screen mit Tauchszene
Präsentation der vielfältigen Natur am Brasilien-Stand © Siegbert Mattheis

„Der Ton ist kein Problem mehr“

Eine hervorragende technische Neuerung haben wir ebenfalls entdeckt: entwickelt vom jungen französischen Startup „odiho“. Der Name ist abgeleitet von der französischen Aussprache „audio“. Über diese cloudbasierte Lösung können Besucher den Live-Vortrag eines Moderators über ihr eigenes Smartphone hören, ohne jeglichen Kopfhörer.

Selbst eine direkte Simultanübersetzung in jede mögliche Sprache ist über odiho möglich. So können Vorträge in lauten Messhallen, draußen in geräuschvoller Umgebung oder auch mehrere in einem Raum gleichzeitig statfinden, ohne dass die Zuhörer gestört werden. Und das eigene Smartphone ersetzt jeden Kopfhörer.

Frau mit Mikrophon vor Screen
Flore Paka von Atout France, die Zuhörer hören sie über ihr eigenes Smartphone via odiho © Siegbert Mattheis

Das wurde zwar schon 2018 entwickelt, aber die Hygienesituation beschleunigte die Nachfrage nach kopfhörerlosen Lösungen.
Wie der Inhaber der Firma, Gauthier Dalle, uns versichert: „Endlich ist der Ton kein Problem mehr!“. Die Kosten für diese Lösung belaufen sich auf nur 50 Cent pro Stunde pro Person.

Siegbert Mattheis